logo sozialwahl 2023Die Deutsche Rentenversicherung schickt Versicherten und Rentnern in diesen Tagen, den meisten in der Woche ab 06.02. Briefe. Es sind keine Briefe, die etwas mit der Beitragszahlung oder der Höhe der Rentenzahlung zu tun haben.  Zudem bekommt nicht jeder Rentner oder Versicherte der Deutschen Rentenversicherung (DRV) einen Brief. Unterrichtet werden nur die Versicherten des größten Einzelträgers der Rentenversicherung, der DRV Bund. Worum geht es in diesen Schreiben? Die Versicherten werden unterrichtet, dass bei der DRV Bund am 31. Mai Sozialwahlen anstehen.
 

Diese Wahlen finden alle sechs Jahre statt.  Es werden hier die Vertreter für die Vertreterversammlung (VV) – landläufig auch Wahlen für das "Versichertenparlament" bezeichnet – gewählt. Gleichzeitig finden Wahlen bei den gesetzlichen Krankenkassen statt. Hier heißt die Institution, die gewählt wird, Verwaltungsrat (VR).

Festzuhalten ist aber. Es finden bei der Deutschen Rentenversicherung nicht überall Wahlen statt. Wahlen sind nur bei der  DRV Bund als größtem Träger Wahlen angesetzt. Nur bei diesem Träger finden echte Wahlen statt. Also Wahlen mit Stimmzettel - allerdings nicht in Wahllokalen  - sondern als reine Briefwahl. Hier kann man also von einem echten Wahlakt sprechen. Wahlen, die genauso wie bei Kommunen, Landkreisen, Ländern und dem Bund ablaufen. Bei den genannten Institutionen wird natürlich in der Regel neben der Briefwahl auch die sog. Urnenwahl in Wahllokalen angeboten.

Bei den anderen Trägern der Rentenversicherung – den Regionalträgern – wird dagegen nicht mit einer klassischen, den Grundzügen unserer Verfassung (Grundgesetz) folgend gewählt, sondern in Vorabsprachen, in der Regel durch die Gewerkschaften veranlasst, eine Liste aufgestellt, deren Kandidaten genau der zu wählenden Anzahl entspricht, die in der VV oder bei der GKV im VR sitzen sollen.

Dieses Verfahren nennt man im Gesetz "Wahlen ohne Wahlhandlung". Vereinfacht von den Vertretern dieses Verfahrens bezeichnenderweise auch "Friedenswahl" genannt. Als wenn Wahlen mit einer ganz normalen Wahlhandlung, wie sie sonst nach demokratischem Brauch durchgeführt werden, "Kriegswahlen" wären. Einfach absurd. Hier gilt es schlicht, einfach nur um simplen Machterhalt.  Dieses Prinzip unterstützen also vor allem diejenigen, die durch dieses Verfahren, ihre Mächtigkeit in den Gremien, der Vertreterversammlung und den Verwaltungsräten zementieren wollen. 

Für Urwahlen aller Gremien in der gesetzlichen Sozialversicherung standen bisher nicht viele an unserer Seite. Im Gegenteil, wir mussten feststellen, dass die ins Gesetz aufgenommene Möglichkeit der Onlinewahlen gefeiert wurde. Nicht die Stärkung der Selbstverwaltung durch Übertragung neuer Aufgaben, oder die Stärkung der Urwahlen standen im Vordergrund. Die Ablenkung durch ein technisches Verfahren der Stimmabgabe, wurde dazu missbraucht, weitergehende Regelungen für eine Urwahl zu installieren. Die Wahl am Computer, wurde als Möglichkeit herausgestellt, die Wahlbeteiligung zu steigern.

Großartig gefeiert gerade von denen, die Urwahlen verhindern wollten. Dabei müsste doch jedem Verständigen klar sein, dass Wahlen in der Rentenversicherung, bei nur bei einem bundesweit organisierten Träger, wie es die DRV Bund (ehemals BfA) ist, nicht zu einer Steigerung der Wahlbeteiligung führen wird. Beispiel gefällig: Wenn in Familien – z. B. in Nordrhein-Westfalen - mit vier Rentenversicherungsträgern (DRV Bund, Knappschaft, DRV Rheinland und DRV Westfalen) nur der - oder diejenige Versicherte wählen kann, der in der DRV Bund ist, dann dürfte die Lust auf Wahlen auf null gehen. Vor allem dürften die Fragen dann lauten: Warum Du, warum ich nicht? Dazu kommt noch, dass heute oft Versicherten nicht mehr bekannt ist, welchem Träger der DRV sie zugeordnet sind oder wurden. Dies war bezeichnenderweise sogar bei der Aufstellung der Listen zur Sozialwahl zu sehen. Einige der heute schon in der Selbstverwaltung der DRV tätigen Kandidaten und anderen, die neu kandidieren wollen, wurde mitgeteilt, dass sie nicht oder nicht erneut kandidieren könnten, da sie einem anderen Träger zugeordnet sind oder wurden. Man hat sich da eines legalen Tricks bedient, um ihnen die Kandidatur zu ermöglichen. Man machte sie einfach zu Vertrauensleuten. So weit, so schlecht!

Die Deutsche Rentenversicherung Bund ist der größte Träger der deutschen Rentenversicherung mit Hauptsitz in Berlin und Standorten in Brandenburg, Gera, Stralsund und Würzburg. Fast 25.000 Mitarbeitende kümmern sich um rund 23 Millionen Versicherte und fast 10 Millionen Rentnerinnen und Rentner im Inland und Ausland.

Die Versicherten der DRV Bund können also wählen, die anderen Versicherten bei den 15 Regionalträgern können nicht wählen.

Viel besser sieht es auch bei den gesetzlichen Krankenversicherungen hinsichtlich der Durchführung von echten Wahlen nicht aus. Zwar wird hier im großen Block der Ersatzkassen, seit es die gesetzliche Grundlage für die Durchführung von Sozialwahlen gibt, in Form der  "Urwahl" gewählt. Der große zweitgrößte Block der GKV, die Versicherten der AOK, können ihre Stimme nicht abgeben.

Übrigens ist festzustellen, dass bei diesen Trägern mit Urwahl - also den Ersatzkassen  -  die Anzahl der Mandate, die Gewerkschaftsvertretern zuzurechnen sind, doch überschaubar ist. Wie soll das auch anders sein?  Die Anzahl der Mitglieder im DGB, also aller Einzelgewerkschaften von IG BCG bis Verdi, hat sich mit  5,95 Millionen (2019) Mitgliedern von ca. von 82 Millionen Einwohnern (=7,25 %) eingependelt. 

Warum gibt es (heute noch) für diese Vereinigungen den Sonderstatus der "Friedenswahl"? Natürlich können sich andere Listen bei den Wahlen zu den Vertreterversammlungen der Regionalträger bewerben. Sie müssen nur Kandidaten finden, die diesem Träger zugeordnet sind und Unterschriften für ihre Liste (1000 Unterstützungsunterschriften) sammeln von den Versicherten des Trägers, bei dem sie kandidieren wollen. Wer aber bei welchem Träger geführt wird, ist ja den Menschen nicht an der Nase anzusehen. Also kann man beruhigt bei den Friedenswahlanhängern davon ausgehen, dass keine Macht an den Wahlurnen verloren geht.  Sie dürfen untereinander weiter ihre Listen aufstellen und müssen nicht fürchten, nicht gewählt zu werden. (Kungeln als demokratische Vollendung)

Zudem wird zur Ablenkung von denen, die für die nicht gerade demokratisch daherkommenden Friedenswahlen sind, das Argument vorgebracht, dass ja den Sozialpartnern (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) ursprünglich die Aufgaben in der Selbstverwaltung zugeordnet wurden. Vergessen wird dabei, dass das Bundesverfassungsgericht in den 70-Jahren des letzten Jahrhunderts dieser Auffassung ein Ende bereitet hat, indem es dem Antrag einer Mitgliedergemeinschaft entsprach und grundsätzlich die Zulassung von Versichertenvereinigungen, die Teilnahme an den Wahlen zusprach. Und sehen wir uns die Aufgaben der Selbstverwalter doch ganz objektiv an. Hier muss nun doch nicht gerade nur von Sozialpartnern die Aufgabe der Vertretung der Interessen der Versicherten übernommen werden.

Aber warum soll man, seine bisherige komfortable Lage bei 15 Regionalträgern und über 90 gesetzlichen Krankenkassen aufgeben und für eine richtige Wahl bei allen Sozialversicherungsträgern werben oder gar aufgrund der guten Verbindungen in die Politik sorgen? Hier muss gelebte Demokratie mit echten Wahlen eben warten.

Diejenigen, die echt wählen können, sollten sich unter diesen Umständen für eine Wahl einer Liste entscheiden, die echte Wahlen überall in der Sozialversicherung befürwortet. Das ist vor allem die BfA DRV-Gemeinschaft.

 

Insgesamt gibt es in Deutschland im Jahr 2021 gut 21 Mio. Rentnerinnen und Rentner, darunter rund 4,1 Mio. Personen, die eine eigene und eine Hinterbliebenenrente beziehen. 10 Millionen davon können, ein Alter von mindestens 16 Jahre vorausgesetzt, wählen.

 

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